Urnenkörper

 

Der skulpturale Körper für den staubgewordenen Menschen

Was erzählt diese Körperform, die Menschskulptur, dieses Denkmalgefäß?

Eine Auseinandersetzung von Eva Franz mit der Kultur des Sterbens, mit den Formen und Formalitäten der Beisetzung:

Welche Geschichten erzählen wir uns über das Leben und über den Tod, wie nehmen wir Abschied, wie trauern wir, wie erinnern wir – wie lieben wir? Das Altern, das Sterben, der Tod ist in unserer Zeit und unserer Kultur zu einem Tabu geworden, ins Abseits gefallen und wird oft nur mit Furcht und zugedrückten Augen „angesehen“. Formalitäten um das Sterben und Beisetzen werden oftmals wie Behördengänge nach Schema F vollzogen, und die Rituale um die Beisetzungen sehen entsprechend aus.

Wird meine Erfahrung einer gewissen
Sprachlosigkeit, eine Art Quarantäne und Automatisierung ohne Substanz in dem Umgang mit dem Tod in unserer Gesellschaft geteilt?

Ich begebe mich auf die Suche, folge meinen Fragen, indem ich die Form der Urne, die u.a. zum Repräsentanten und Denkmal des Verstorbenen wird, fassen, neu fassen, loslassen und finden möchte. Ich möchte durch implizierte Brüche mit einer farblosen und technokratischen Formalität brechen und Formen der Liebe und der Würde ausstellen, um mich und andere zu neuen Formen aufzuwecken.

Wir benötigen eine lebendige Kultur des würdevollen Sterbens, um unsere eigene Zeit wirklich „schätzen“ und damit erst wahrhaftig leben zu können. Mit meinen konzeptuellen Urnengefäßen stelle ich Leben und Tod sinnbildlich verbunden dar. Die Verbundenheit zwischen den Hinterbliebenen und den Verstorbenen soll zelebriert werden und an den Kreislauf des Lebens erinnern.

Alle Serien sind stark beeinflusst von organischen Formen einerseits und streng symmetrischen Konzepten des Origami und der 3D-Kunst anderseits. Wie in der Natur baut sich hier ein interessantes Spannungsfeld auf. Neben der Blüte, der Knospe oder der Koralle, interessiert mich insbesondere die Form des Mondes und des Hühnereis. Die Materialien sind hauptsächlich Papier und Zellstoffe, aber auch Glas, Keramik, Stoff und Harz.

Die Urne aus Harz oder Kristallglas

 

Die Serie ist inspiriert von der Blüten-und Knospenform, die Lichtdurchlässigkeit und Transparenz des Materials ist von zentraler Bedeutung. Sie stehen für Offenheit und Enttabuisierung – und symbolisch für ewige Verbundenheit. Hier das Modell „Umarmung“

Die Urne aus Papier und Zellstoff

 

ist vor allem für die See- und Erdbestattung geeignet. Im kreativen Prozess bietet das  Material viele Möglichkeiten: Aus Papier und Zellstoff schöpfe ich Formen, die organisch-kraftvoll wirken, zum Teil die Origami-Faltkunst aufgreifen, zum Teil Elemente der Scherenschnitt-Kunst einarbeiten, Keramik-Oberflächen imitieren oder animierbare Teile beinhalten.

Die Urne aus Keramik

 

Nah am Papier bewegt sich tatsächlich auch die Keramik. Die Ästhetik hat Berührungspunkte, sowie die Materialverarbeitung: Ton sowie Zellstoff werden auf ähnliche Weise bearbeitet.

Auch hier arbeite ich mit Konzepten des Origami, der runden Form des Mondes oder Hühnereis, und weiteren organischen Formen.

Die Urne aus Stoff

 

Ebenfalls nah am Papier ist auch der Stoff: Aus Stofffasern kann Papier gewonnen werden.

In dieser Serie wende ich ebenfalls die Stilelemente der Faltkunst an, sowie der Modellierung und der Häkel-, Web- und Strickkunst. 

Die Urne mit dem
3D-Druckverfahren

 

Das 3D-Druckverfahren ermöglicht eine besondere Ästhetik, die mit anderen Herstellungsverfahren nicht möglich sind. Im Fokus steht 100% ökologisch hergestelltes und kompostierbares 3D-Druckmaterial. Aber auch Ton und andere Materialien in ähnlicher Konsistenz lassen sich mit einem speziellen 3D-Drucker erstellen.

Es sollen Urnengefäße entstehen, die ihrem Inhalt und ihrer Bedeutung gerecht werden, den Menschen behutsam aufnehmen und liebevoll tragen. 

Die Bestattungsgefäße, die zum Großteil in Verwendung sind, sind industriell aus günstigen Materialien gefertigt. Diese industriellen Massenprodukte können aber nur selten ihrer Funktion gerecht werden und verwehren uns einen ehrenvollen Abschied.

Ich möchte daher meinen Werken in Form einer Ausstellung eine besondere Reise durch die Auseinandersetzung mit der Sterblichkeit anbieten und den Menschen mit meinen hervorgebrachten Urnenkörpern schmeicheln:

So könnte man sagen, die Asche bedarf also eines Kleides, das auf die Sehnsucht, das Fest, das Heilige des Lebens hinweist, kein historisches Gewand, sondern ein Festgewand ewiger Erfüllung, einer Liebe, die glänzen will, funkeln, und ihre Farben entfaltet. Sie ist es, die zum Zeichen des Unvergänglichen das Vergängliche überkleidet.

Klaus Hamburger

Justiz- und Klinikseelsorger

Eva Franz

Eva Franz

absolvierte die renommierte Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe und war u.a. ausgewählt die Hochschule bei dem Wettbewerb für den Bundespreis der besten jungen KünstlerInnen Deutschlands in der Kunsthalle Bonn zu repräsentieren. Ihre multimedialen Arbeiten sind konzeptuell, verspielt und romantisch.

Sie vereint Technik, Formalität mit Sinnlichkeit und Beseeltheit. In ihren Arbeiten verwebt sie gerne Prinzipien des Designs, des Films oder Theaters und der Kunst, beschreibt diese unter anderem auch als „Reality Design“ oder „Experience Design“.

In dieser skulpturalen Serie geht es diesmal jedoch um „Kommunikation“: Die Kommunikation zwischen Leben und Tod, Materie und Lebendigkeit, Unsichtbarem und Sichtbaren sowie Zerfall und Ewigkeit.

Design und Text: Eva Franz